Chemnitz. Die Frist läuft ab: Am 30. Juni soll das Kulturprojekt Experimentelles Karree an der Reitbahnstraße beendet werden, der Mietvertrag ist gekündigt. Die Stimmung im Experimentellen Karree (Exka) an der Reitbahnstraße 84 schwankt derzeit zwischen Trotz und Fatalismus, zwischen Schicksalsergebenheit und Kampfeslust. Während ein Teil schon aufgegeben und das Haus verlassen hat, will ein harter Kern bleiben – rund 20 Akteure, die sich in der Initiative “Reba Si” zusammengeschlossen haben. “Die Reitbahnstraße 84 liegt genau zwischen Innenstadt und Uni”, sagt Reba-Si-Mitglied Georg Spindler. “Es ist der beste Platz für ein solches Kulturprojekt.”
Rückblende: Das frühere Haus des Kindes am Bernsbachplatz, ein markanter Bau aus den 1950er-Jahren, war den jungen Leuten vom Verein “Wiederbelebung kulturellen Brachlandes” (WKB) im Juli 2007 übergeben worden. Die Jugendlichen – zumeist Studenten und Künstler – sagen, es sei mit dem Eigentümer, der städtischen Wohnungsgesellschaft GGG, ein unbefristeter Überlassungsvertrag geschlossen worden. Bei der Stadtverwaltung heißt es hingegen, die Überlassung des Hauses sei von Anfang an “temporär” gewesen, also zeitlich befristet.
Die jungen Leute verpflichteten sich, die Räume auszubauen und ein selbstverwaltetes Wohn- und Kulturprojekt zu installieren – mit Ateliers, einem Café, einer Galerie, einem alternativen Kino. Von Anfang an musste der Verein eine vertraglich festgelegte Miete an die GGG zahlen – für 1450 Quadratmeter Nutzfläche pauschal 500 Euro monatlich zuzüglich der Nebenkosten, nach Vereinsangaben insgesamt 3000 Euro.
Im August 2008, also bereits ein Jahr nach der Überlassung des Gebäudes, teilte die GGG dem Trägerverein des Experimentellen Karrees mit, dass man das Gebäude an der Reitbahnstraße 84 verkaufen wolle. Hintergrund war, dass die GGG im Jahr 2005 die leer stehenden Wohnhäuser an der Fritz-Reuter-Straße 25 bis 31, also unmittelbar neben dem Experimentellen Karree gelegen, veräußert hatte. Im Kaufvertrag mit dem Investor, der Chemnitzer Keilholz GmbH, gibt es eine Klausel, die den Investor verpflichtet, die Häuser zu sanieren. Im Gegenzug erwartet das Unternehmen aber, dass auch die GGG ihre Häuser in dem Karree umbaut. “Wir waren uns beim Kauf der vier Objekte Fritz-Reuter-Straße 25 bis 31 mit der Verkäuferseite einig, dass das gesamte Karree saniert wird und hier innerstädtisch komfortable Wohnungen entstehen”, teilte die Keilholz GmbH mit. Dies habe nicht nur die GGG, sondern auch die Stadt Chemnitz in diversen Gesprächen zugesichert.
Doch zu eben diesem Karree gehört auch die Reitbahnstraße 84. Folglich begann nun ein monatelanges Tauziehen zwischen den Trägervereinen des Kulturprojektes und der städtischen Wohnungsgesellschaft. Die GGG bot mehrere Alternativobjekte an, die jungen Leute lehnten zunächst ab.
Mit einer Gruppe aus dem Exka, dem mittlerweile gegründeten Verein Casa Phantom, wurde die GGG jedoch einig. Die jungen Leute verfolgen ihr alternatives Wohnprojekt mittlerweile in einem neuen Objekt an der Adelsbergstraße in Gablenz. Den übrigen verbliebenen Exka-Leuten kündigte die GGG Anfang dieses Jahres; der Mietvertrag läuft damit am 30. Juni aus. Was dann wird, ist unklar. Es gibt zwar Verhandlungen über ein Objekt an der Bernsdorfer Straße, doch die gestalten sich schwierig. “Wir fühlen uns hingehalten”, sagt Markus Börner vom WKB-Verein.
Fest steht: Die Keilholz GmbH will nach eigenen Angaben im nächsten Monat mit der Sanierung der Häuser an der Fritz-Reuter-Straße beginnen. Auch die GGG will ihre Häuser an der Reitbahnstraße 80 und 82 umbauen; dort sollen Studentenwohnungen entstehen. Für die Reitbahnstraße 84 plant die GGG jetzt einen Kultur- und Szenetreff in eigener Regie -ein Umstand, der die Exka-Leute auf die Palme bringt: Das bestehende, von unten gewachsene Kulturprojekt werde “abserviert”, ein neues von oben installiert – unter der Kontrolle von Stadt und GGG.
(via freiepresse.de)
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