Experimentelles Karree steht vor dem Aus
Verein erhält von GGG die Kündigung und muss das Haus an der Reitbahnstraße bis zum Sommer räumen
Das alternative Jugendzentrum an der Reitbahnstraße 84 steht womöglich vor dem Aus. Die städtische Wohnungsgesellschaft GGG hat dem Trägerverein des Experimentellen Karrees gestern die Kündigung für das vierstöckige Eckgebäude ausgesprochen. Laut Vertrag muss der Verein das Haus damit Ende Juni dieses Jahres räumen.
Hintergrund der Kündigung seien Pläne für die Entwicklung des Wohngebietes zwischen Reitbahnstraße, Gustav-Freytag-Straße und Annaberger Straße, sagte ein GGG-Sprecher. Das kommunale Unternehmen plane, noch 2010 mit der Sanierung der Häuser an der Reitbahnstraße 80 und 82 zu beginnen. Laut GGG-Sprecher sollen dort Wohnungen entstehen, die WG-tauglich und damit für Studenten geeignet sind. Die Zukunft des Gebäudes an der Reitbahnstraße 84 – dem derzeitigen Sitz des Kulturzentrums – sei hingegen offen. Möglich seien eine Sanierung durch die GGG oder der Verkauf. Der Abriss stehe hingegen nicht zur Debatte.
Vertreter des Betreibervereins WKB (“Wiederbelebung kulturellen Brachlandes”) bestätigten gestern zwar den Eingang der Kündigung, wollten sich vorerst aber nicht dazu äußern. Der Verein hatte das Gebäude im Juli 2007 von der GGG angeboten bekommen, nachdem vier Wochen zuvor junge Leute das ehemalige Partei-Gebäude der KPD (“Kämpfer”) an der Karl-Immermann-Straße 23 bis 25 besetzt hatten. Damit wollen sie darauf aufmerksam machen, dass es in Chemnitz zu wenige Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche gibt. Im Gebäude an der Reitbahnstraße entstanden später Künstler-Ateliers, ein Café und ein alternatives Kino.
Bei der GGG erklärte man gestern, man habe dem Verein das Angebot gemacht, gemeinsam alternative Standorte zu suchen. Möglich sei auch ein Objekt an der Reichenhainer Straße. “Hierzu steht die Entscheidung des Vereins gegenwärtig noch aus”, so der GGG-Sprecher.
Das sei allerdings “keine echte Alternative”, so Stadtrat Volkmar Zschocke (Bündnis 90/Die Grünen). Das Haus an der Reichenhainer Straße sei in einem desolaten Zustand, teilweise fehlten sogar die Zimmerdecken. Zschocke bedauerte die Kündigung der Reitbahnstraße84 durch die GGG. “Chemnitz kann es sich nicht leisten, junge Leute so vor den Kopf zu schlagen”, sagte er.
Von Swen Uhlig
Der Brühl auch! Prosit Neujahr!
“Der Brühl auch! Prosit Neujahr!”
Was heist das?
ich vermute mal, daß das hier gemeint ist (ebenfalls aus freie presse): Brühlaktivisten ziehen sich zurück:
Chemnitz. Die einstigen Brühl-Aktivisten glauben nicht mehr daran, dass die einstige Einkaufsmeile Brühl wieder belebt werden kann. Deren Fördergemeinschaft zur Wiederbelebung des verwaisten Boulevards hat sich zum Jahreswechsel aufgelöst. Vereinschef Gunnar Schenke wirft dem Rathaus und der städtischen Wohnungsgesellschaft GGG vor, kaum Nennenswertes zur Aufwertung der verlassenen Einkaufsstraße getan zu haben. Die GGG setzt dagegen: Im Stadtentwicklungskonzept bis 2020 hat der Brühl Priorität. Gesucht werden Investoren für die GGG-Immobilien sowie Interessenten für selbst genutztes Wohneigentum. (MIB/BJ)Seite 9
dazu kommt der eigentliche artikel:
Brühl-Fördergemeinschaft gibt auf
Vorsitzender sieht keine Perspektive mehr – Geteiltes Echo von Händlern – GGG hofft auf die Uni-Bibliothek
Von Michael Brandenburg
Resignation am Brühl: Die Fördergemeinschaft zur Wiederbelebung des verwaisten Boulevards hat sich zum Jahreswechsel aufgelöst. Der Vereinsvorsitzende Gunnar Schenke warf obendrein beruflich das Handtuch. Sein Lederwaren-Geschäft an der Georgstraße hat er im Dezember geschlossen -nach 85 Jahren Existenz in vier Generationen.
“Die Stadt hat den Brühl abgeschrieben”, begründet Schenke die Entscheidung. Er glaube nicht mehr daran, dass vonseiten des Rathauses und der städtischen Wohnungsgesellschaft GGG als größtem Eigentümer noch etwas Nennenswertes zur Aufwertung der zum Großteil verlassenen Einkaufsstraße getan werde. Die GGG habe Versprechen, selbst ein Haus komplett zu sanieren, nicht eingehalten, und kaufwillige Investoren mit überzogenen Preisvorstellungen verprellt, so seine Vorwürfe. Als Einzelhändler sehe er für sich in Chemnitz keine Perspektive mehr, auch nicht bei
einem Umzug ins Zentrum. “Dort geht es genauso planlos zu wie in der ganzen Stadt”, sagt Schenke.
Die Fördergemeinschaft Brühl-Boulevard hatte unter anderem jahrelang Feste organisiert. Aber auch die gibt es seit 2008 nicht mehr. “Es haben auch immer weniger Händler mitgezogen”, berichtet Frank Neumann, Leiter des Bürgerhauses Brühl-Nord. Er gehörte zum Vorstand der Fördergemeinschaft. Die Motivation sei am Boden gewesen, weil es nicht voranging. “Dabei ist die Lage des Brühls, nahe an der Oper und der Innenstadt, nach wie vor super. Es gibt hier punktuell Top-Sachen. Was saniert wurde, ist auch vermietet”, so Neumann. Er will den Brühl noch nicht aufgeben.
Andere Händler stimmen Schenke zu, dass die Geschäfte am Brühl besser laufen könnten. Trotzdem wollen sie durchhalten. “Es wird wirklich immer schwieriger, seit der Bus nicht mehr hier hält und die Sparkasse weggezogen ist. Zum Glück habe ich viele treue Kunden”, sagt Schenkes ehemalige Laden-Nachbarin Roswitha Patzer, die seit 20 Jahren ein Lotto- und Zeitungsgeschäft an der Georgstraße betreibt. “Im Oktober 2007 musste mein Geschäft umziehen, weil das Haus an der Karl-Liebknecht-Straße/Ecke Herrmannstraße saniert werden sollte. Passiert ist bis heute nichts”, ärgert sich Schuhhändler Peter Hedrich. “Ich lebe fast nur noch von Stammkunden”, sagt er.
Ganz anders klingt es in der Teestube und Kerzenzieherei Tee-Licht von Simone Kotzur. “2009 war für uns ein gutes Jahr. Wir haben inzwischen viele Stammkunden, die gezielt zum Brühl kommen”, sagt Ehemann Steffen Kotzur, der im selben Haus die Büro-Einrichtungsfirma Raum und Konzept betreibt. “Wir würden uns nur wünschen, dass hier noch mehr Hausbesitzer günstig Geschäftsräume vermieten. Kreative Interessenten gibt es genug”, meint er. “Als wir gemerkt haben, dass es ringsum keinen Fortschritt gibt, haben wir uns auf uns selbst besonnen”, ergänzt Eva Ullbrich vom Feng-Shui-Haus Vitalis. Sie finde neue Kunden, indem sie regelmäßig Seminare gebe. Im Tee-Licht gibt es Kurse unter anderem zum Kerzenziehen oder Liedersingen.
“Der Brühl steht nach wie vor im Fokus der Stadtentwicklung”, widerspricht Erik Escher, Pressesprecher der GGG, den Zweiflern. Beleg dafür sei das vom Stadtrat beschlossene Stadtentwicklungskonzept bis 2020. Die städtische Wohnungsgesellschaft selbst setze aber nach wie vor auf den Verkauf ihrer Immobilien an Investoren und hoffe dabei auf positive Impulse durch die von der Stadtverwaltung angestrebte Ansiedlung der Universitätsbibliothek in der ehemaligen Aktienspinnerei am Busbahnhof. Als weitere Chance für den Brühl sehe man die Schaffung von selbst genutztem Wohneigentum, so Escher. Für ein Selbstnutzerprojekt im Haus Brühl 55, das die GGG gemeinsam mit dem Verein Yougend vorbereitet, soll bis März Projektstart sein.