Das für tot erklärte Experimentelle Karree startet nun überraschenderweise doch. Das Konzept wurde bereits vor 1 1/2 Jahren zusammen mit dem Stadtplanungsamt entwickelt und wurde mit einem Stadtratsbeschluss im November 2008 von kommunaler Seite gestärkt. Entgegen dieses Beschlusses, besiegelte jedoch die städtische Wohnungsgesellschaft GGG, deren die Liegenschaften gehören, und die Keilholz GmbH, welche Anrainer ist, im Mai 2009 eine gegenseitige Sanierungsvereinbarung. Bereits dieser Vorgang löste im Stadtrat eine Welle von Anfragen an die Stadtverwaltung aus (u.a. klick!), wobei der Eindruck entstand, dass Stadtratsbeschlüsse bewusst verunmöglicht wurden. In Zeiten von Stadtschrumpfung und Verödung ganzer Stadträume, ist dieses bewusste Ausbremsen des letzten Häufleins Kreativer zugunsten kurzfristiger, ökonomischer Handlungsziele ein gesamtstädtisches Fiasko.
Das ExKa soll der neue selbstgestaltete urbane Ort in Chemnitz werden. Hier treffen sich die Faktoren. Universität und Innenstadt, Prekariat und Geisteswissenschaft, Abriss und Abenteuer.
Das Projekt könnte eine Möglichkeit sein, den Bewohnern der Stadt extraordinäre Lebensqualität zu verschaffen und zumindest an die Idee von Dresden-Neustadt etc. anzuknüpfen. Verschiedene studentische Miniprojekte warten darauf, dass es losgehen kann: Vom Wohnzimmerkino über die Druckwerkstatt bis hin zu eine Fahrradselbsthilfewerkstatt wird alles selbst konzipiert und selbst verwaltet. All dies fällt über eine verschlafene Stadt her, die es nicht mehr gewöhnt ist, dass ihre Bewohner einen Anspruch auf die Ruinenlandschaft erheben. Denn gerade darin (und nur darin) kann der Reiz eines Gebildes wie Chemnitz liegen. Das Abenteuer heisst nonkommerzielle Aneignung und Nutzung für die kleinen Utopien und Freiheiten, die es in prosperierenden Städten schon längst nicht mehr gibt.
Der ursprüngliche Plan, die Reitbahnstrasse 80-82 und den Rest des Karrees zu nutzen, ist jedoch hinfällig, da die GGG die jahrelang leer stehenden Gebäude nunmehr selbst zur studentischen Wohneinrichtung „mit entsprechendem Gewerbe“ entwickeln möchte. Freilich unter ihrer Planungshoheit und mit den daraus resultierenden und bekannten Folgen (wahlweise GGG-Campus Gustav-Freytag-Strasse oder Brühl).
Stattdessen zieht, um die Verwirrung zu steigern, das Experimentelle Karree zunächst mit in die Reitbahnstrasse 84, die bereits das Wohn- und Kulturprojekt beherbergt.
Die verfahrene Situation wird endlich gewendet: Die Akteure beginnen einfach mit dem, was sie können, und was die beschränkten Räumlichkeiten zulassen.
Neben der Volksküche am Donnerstagabend, gibt es einen zweiwöchig stattfindenden Sonntagsbrunch, eine wöchentliche kostenfreie Fahrradselbsthilfewerkstatt, eine Galerie für Autofahrer , ein Kinoprojekt , eine Druckwerkstatt, und einen Umsonstladen. Weitere Projekte sind angedacht, wenn die Nutzung der angrenzenden, leer stehenden Gebäude, vom städtischen Eigentümer ermöglicht wird. Zur Einbindung neuer Akteure, für Öffentlichkeitsarbeit und für die Koordination der Arbeit des ExKa e.V. sind bereits vor einem Jahr EFRE-Mittel (Europäische Förderung für regionale Entwicklung) beantragt wurden, die, leider, zuletzt scheinbar der einzige Grund gewesen sind, sich Seitens der Stadt mit dem Projekt überhaupt noch zu beschäftigen. Traurig für eine solch problembehaftete und defizitäre Stadt, dass sie nicht merkt, dass sie den Schuss nicht gehört hat. Aber dafür sind ja wir alle da.
ExKa Termine:
Jeden Montag, 16 bis 19 Uhr: kostenlose Fahrradselbsthilfewerkstatt
29.11./6.12./20.12. Sonntagsbrunch – Buffet und Kinderspaß
29.11. – 30.12. Boryana Rossa : Bootleg garden – Ausstellung hinter den Schaufenstern
7.12., 19.30 ExKa – wie geht´s weiter, Infoabend
8.12., 20.00 Buntes Kurzfilm-Kaleidoskop
21.12., 19.00 Spieltrieb – ein Spieleabend jenseits von Mensch-ärgere-dich-nicht und Siedler
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